Tag 6 – Arrrrrgh

Die Welt wäre vermutlich (fast) perfekt, wenn alle Produkte so funktionieren würden, wie die entsprechenden Innovatoren sich das vorgestellt haben.

Leider – vielleicht auch Gott sei Dank – ist die Welt nicht ganz so perfekt. Das ermöglicht es Ihnen Produkte kontinuierlich zu verbessern. Beobachten Sie Ihre Kunden in der Interaktion mit Ihren Produkten.

Übung

Setzen Sie bei der Verbraucherfreudlichkeit Ihrer Produkte oder Dienstleistungen an. Auch hier können Sie Bezug nehmen auf Güter oder Dienstleistungen aus Ihrem unmittelbaren privaten Umfeld, sollten Sie nicht in einem Unternehmen tätig sein. Stellen Sie sich zur Weiterentwicklung Ihrer eigenen Produkte folgende Fragen:

  1. Welche Unannehmlichkeiten gibt es beim Erwerb unserer Produkte?
  2. Welche Unannehmlichkeiten gibt es beim Gebrauch unserer Produkte?
  3. Welche Unannehmlichkeiten gibt es bei der Entsorgung unserer Produkte?

Anmerkung

Versuchen Sie bei Ihren Kunden die Probleme in Gesprächen zu erkunden.

Sie werden feststellen, dass Sie hier schnell an bestimmte Grenzen stoßen. Sie werden andere – vielleicht auch interessantere – Einsichten erhalten, wenn Sie Ihre Kunden beobachten.

Immer, wenn der Nutzer bzw. die Nutzerin Ihrer Produkte in der Handhabung zögert oder flucht, dann haben Sie eine Dimension entdeckt, in der Sie Ihr Produkt verbessern können.

Ideen generieren

In der Übung oben haben Sie Ideen für Verbesserungen von bestehenden Gütern und Dienstleistungen durch Beobachtung generiert. Hier ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass Sie durch Beobachtung andere Inspirationen für Innovationen erhalten als durch Befragung.

Wenn wir uns jetzt die Frage stellen, wo die Ideen herkommen, dann vermuten Sie sicher, dass Ideen für neue Güter, neue Dienstleistungen oder neue Produktionsprozesse aus einer Reihe von unterschiedlichen Quellen kommen können. Neben den Mitarbeitern als interne Ideenquellen kann ein Unternehmen stark von externen Ideengebern wie Kunden, Zulieferern, Wettbewerbern, Beratungsunternehmen, Hochschulen, etc. profitieren. Das Konzept der Open Innovation stellt die Möglichkeiten der systematischen Nutzung externer Ideenquellen heraus (Chesbrough 2003, Chesbrough 2006a, Chesbrough 2006b) und wurde bereits da erwähnt als es darum ging, die Grenzen des Unternehmens zu überschreiten.

Unabhängig davon, ob Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder externe Akteure zur Ideengenerierung genutzt werden, empfehlen sich unterschiedliche Methoden, die im Rahmen dieses Abschnittes kurz vorgestellt werden. Diese Methoden werden in der Literatur als Kreativitätsmethoden oder –techniken bezeichnet.

Grundsätzlich ist für die Qualität der Ergebnisse jeder Kreativitätstechnik, die in Gruppen durchgeführt wird, entscheidend, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein intensives Briefing über die Problemstellung und detaillierte Zusatzinformationen über den Kontext der Problemstellung erhalten.

Beim Brainstorming handelt es sich um den Klassiker unter den Kreativitätstechniken. Es zählt zu den intuitiv-kreativen Methoden, deren Ziel es ist, herkömmliche Denkmuster zu überwinden. Dabei sollen möglichst spontan eine Vielzahl von heterogenen Ideen zu einem gegebenen Thema entwickelt werden. Die Ideenfindung findet beim Brainstorming durch freie, verbale Assoziation innerhalb einer Gruppe statt. Im Zentrum des Brainstormings steht das Auslösen einer Lawine von Ideen bei jedem Mitglied der Brainstorminggruppe. Die Ideen werden nicht anonym, sondern offen in der Gruppe geäußert; das Aufgreifen der Ideen von anderen Gruppenmitgliedern und die Variation dieser Ideen ist ausdrücklich erwünscht und sollte vom Moderator angeregt werden.

Brainstorming kann in Situationen eingesetzt werden, in denen es auf eine breite Streuung unterschiedlicher Ideen ankommt. Die Varianz von Ideen steht hier klar im Vordergrund; diese wird durch eine möglichst hohe Anzahl von Ideen sichergestellt. Diese Anforderung ist beim Innovationsprozess durchaus gegeben, da die Qualität vor allem auch die Originalität der Ideen stark von der Menge an generierten Ideen abhängt.

Zu Beginn einer Brainstormingsitzung stellt der Moderator das Thema des Brainstormings vor und – wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer keine Brainstormingerfahrung haben – die Regeln des Brainstormings.

Grundsätzlich herrscht eine strikte Trennung zwischen der Phase der Ideengenerierung und der Ideenbewertung. In der Ideenfindungsphase wird keine Kritik an geäußerten Ideen geübt.

Quantität ist in der Ideenfindungsphase wichtiger als die unmittelbare Qualität der Ideen. Alle Ideen werden aufgenommen.

Brainstorming fördert den freien Lauf der Phantasie und Assoziation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das setzt voraus, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ungezwungen Ideen äußern können. Ideen von Laien und Ideen von Experten sind gleichermaßen wichtig.

Brainstorming in der Gruppe ist Teamwork. Das Kombinieren vorgebrachter Ideen und gegenseitige Anregung sind wichtig für die Qualität der Ideen. In der Ideenfindungsphase werden alle vorgetragenen Ideen protokolliert. Diese Phase sollte – je nach Brainstormingerfahrung der Gruppe – nicht länger als 30 Minuten dauern. In der anschließenden Phase der Ideenbewertung werden die Ideen erstmalig bewertet und selektiert. Dazu eignen sich die von Schwarz et al. dargestellten Methoden zur Ideenauswahl (Schwarz et al. 2006, S. 89ff). Wenn Sie einen Stage-Gate Prozess haben, dann befindet sich hier die Schnittstelle zum ersten Gate.

In der Abbildung unten werden die organisatorischen Anforderungen an eine Brainstormingsitzung zusammengefasst.

ZeitDauer ist abhängig vom Problem und vom Ideenfluss. Das Brainstorming wird dann beendet, wenn der Moderator die Teilnehmer zu keinen weiteren Ideen anregen kann. Richtwert für die Ideenfindung ca. 30 Minuten.
PersonenEine Gruppe von 4 bis 8 (max. 12) Teilnehmern mit unterschiedlichem fachlichen Hintergrund.
ModeratorEin Moderator wird benötigt.
MaterialFlipchart, Tafel oder Moderationswand zum Aufzeichnen der Vorschläge.

Ebenso wie beim Brainstorming handelt es sich bei der Methode 6-3-5 um eine intuitive Gruppenmethode. Sie geht auf Rohrbach zurück (Rohrbach 1969). Im Gegensatz zum Brainstorming findet hier eine schriftliche Ideenäußerung statt.

Eine Gruppe von sechs Teilnehmerinnen und Teilnehmern sammelt auf Formularen in jeweils fünf Minuten drei Ideen. Die Struktur des Formulars ist in der folgenden Abbildung dargestellt. Nach fünf Minuten wird das Formblatt weitergereicht, sodass nach 30 Minuten vor jedem Teilnehmer oder jeder Teilnehmerin ein ausgefülltes Formblatt mit 18 Ideen liegt.

Formblatt Methode 6-3-5
Formblatt Methode

Die Gruppenmitglieder regen sich während der Ideengenerierungsphase durch ihre niedergeschriebenen Ideen wechselseitig an. Dies ermöglicht die Bildung von Anknüpfungen und Analogien. Während der Ideengenerierung erfolgt mehrfach ein Sicht- bzw. Standpunktwechsel bei der Problembetrachtung. Ein weiterer Vorteil der 6-3-5 Methode besteht auch darin, dass jedes Gruppenmitglied implizit durch eine Forderung nach 3 Ideen pro fünf Minuten zu einer Ideenquote aufgefordert wird. Dies garantiert letztendlich ein hohes Ideenvolumen (6*3*6=108 Ideen), auf das später bei der Ideenselektion zurückgegriffen werden kann. Die Effizienz der 6-3-5 Methode besteht schließlich auch in ihrer Struktur, die für die Ideenfindung lediglich 30 – wenn auch intensive – Minuten erfordert.

Die für das Brainstorming dargestellten Regeln finden auch für die 6-3-5 Methode Anwendung. Wichtig ist, dass bei der Verschriftlichung von Ideen auf dem Formblatt im Sinne des Ideenflusses ein kurzer schlagwortartiger Stil verwendet wird. Begründungen für die einzelnen Ideen werden nicht festgehalten werden. Ebenso wie beim Brainstorming verbieten sich wertende Kommentare auf bereits niedergeschriebene Ideen.

ZeitInsgesamt ca. 60 – 90 Minuten, davon: 6 x 5 Minuten für die Ideenfindungsphase (30 Min).
Personen6 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
ModeratorEin Moderator wird nicht unbedingt benötigt.
MaterialFormblatt (6x), Schreibutensilien.

Der morphologische Kasten gehört zur den Methoden der systematischen Strukturanalyse, deren Ziel es ist, ein Ausgangsproblem in kleinere Teilprobleme zu zerlegen und für diese eine Lösungshilfe zu bieten.

Ziel des morphologischen Kastens ist es – beispielsweise für eine Produktentwicklung – neue Kombinationen von gegebenen Eigenschaften zu finden. Obwohl durch den morphologischen Kasten keine eigentlich neuen Eigenschaften für zukünftige Produkte entwickelt werden, so stellt die neue Kombination aus alten Eigenschaften eine kreative Leistung dar. Die Methode des morphologischen Kastens wird somit auch den Kreativitätstechniken zugerechnet.

Durch den Einsatz von Matrizen ermöglicht der morphologische Kasten ein systematisches Herangehen an die Fragestellung, schafft Orientierung und eignet sich vor allem für Neukombinationen bereits bewährter Lösungen. Er ist vor allem dann sinnvoll, wenn ein Produkt weiterentwickelt oder verbessert werden soll und dabei sichergestellt werden soll, dass alle relevanten Aspekte bzw. Eigenschaften berücksichtigt wurden.

Der Ablauf der Analyse mit Hilfe eines morphologischen Kastens gliedert sich in fünf Schritte:

Zu Beginn der Analyse wird das zu Grunde liegende Problem systematisch analysiert und detailliert definiert.

Dann werden die Parameter bzw. die Teilprobleme bestimmt. Diese werden in die erste Spalte der Matrix eingetragen (siehe Abbildiung).

In der Folge werden alle potentiellen Lösungsmöglichkeiten für jedes der Teilprobleme in der Matrix gesammelt. Dabei ist es wie oben angedeutet beim morphologischen Kasten nicht nötig, neue Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Auch eine Auflistung bereits existierender Lösungsmöglichkeiten ist für die Generierung neuer Gesamtlösungen nötig und hilfreich.

Bestimmung der Kombinationen: Jede mögliche Kombination einzelner Ausprägungen bzw. Lösungsmöglichkeiten der Teilprobleme stellt eine Lösung dar. Es ergeben sich zahlreiche Lösungen. Je höherdimensional ein Problem dargestellt wird desto größer ist der Lösungsraum. Im Beispiel in Abbildung 5 ergeben sich 5*4*4*4*4 = 1,280 Lösungsmöglichkeiten. Durch einen Zwischenschritt, der unmögliche Kombinationen, d.h. einander ausschießende Lösungen der Teilprobleme entfernt, kann der Lösungsraum verkleinert werden. Bei großen Problemen kann Software zur Unterstützung und zur Darstellung des Lösungsraums in Einsatz kommen (Ritchey 2006).

Im letzten Schritt werden unterschiedliche Kombinationen daraufhin geprüft, ob sie sinnvolle Verknüpfungen ergeben. Diese können dann in einem Stage-Gate Prozess entwickelt werden.

Die Abbildung unten stellt die organisatorischen Anforderungen an die Technik des morphologischen Kastens zusammen.

Morphologischer Kasten – Organisatorische Anforderungen:

ZeitDer Zeitaufwand liegt zwischen 30 und 60 Minuten. Kann aber bei höherdimensionalen Problemen stark zunehmen.
PersonenDie Methode kann alleine oder in Gruppen angewendet werden.
ModeratorKein besonders ausgebildeter Moderator notwendig.
MaterialPapier und Schreibutensilien. Für hochdimensionale Probleme gibt es eine unterstützende Software.

Bei weiterem Interesse an dieser Methode, finden Sie eine gute und detaillierte Beschreibung im bei www.projektmagazin.de.

Bei der Methode der semantischen Intuition werden durch Neukombination von Begriffen bzw. Wörtern und den damit verbundenen Assoziationen oft verblüffende Verknüpfungen hergestellt, die dann als Ideen für neue Produkte genutzt werden können. Die semantische Intuition nutzt die Tatsache, dass Lesen und Hören von Worten eine semantische Vorstellung auslöst.

Sie ist dann besonders nützlich, wenn nicht Lösungen zu ganz spezifischen Problemen gesucht werden, sondern eine Vielfalt an Ideen gefragt ist. Die Methode eignet sich besonders zur Generierung neuer Produktideen. Um analytische Lösungen für Probleme zu finden, ist die Methode nicht geeignet. Sie ist damit ebenso wie das Brainstorming oder die Methode 6-5-3 eine intuitive Methode. 

Semantische Intuition – Organisatorische Anforderungen:

ZeitDer Zeitaufwand liegt zwischen 30 und 60 Minuten.
PersonenDie Methode kann alleine oder in Gruppen angewendet werden.
ModeratorKein besonders ausgebildeter Moderator notwendig.
MaterialPapier und Schreibutensilien. Für Gruppen: Flipchart, Karteikarten.

Bei der semantischen Intuition werden zunächst Begriffe aus dem Umfeld des zu bearbeitenden Problems gesammelt und notiert. Dies kann im Rahmen einer Brainstormingsitzung erfolgen. Für die weiteren Schritte eignen sich am besten Hauptwörter, deshalb sollte die Sammlung von Begriffen vornehmlich auf Hauptwörter abzielen. Zusammengesetzte Hauptwörter, werden in ihre Bestandteile aufgelöst (z.B. „Kühlschrank“ wird und „kühl“ und „Schrank“ zerlegt).

Der Schritt, der die semantische Intuition auszeichnet ist, die beliebige Kombination dieser gesammelten Begriffe zu neuen Wortschöpfungen. Alle Wortneuschöpfungen werden notiert. In der anschließenden Diskussion kann nun analysiert werden, ob und wie die Wortschöpfungen Ideen für neue Produkte darstellen.

Ein Produktionsunternehmen sucht beispielsweise Ideen für neues Küchen- und Speisezubehör (Schlicksupp 2004). Es werden spontan Begriffe aus dem Umfeld „Küche/Speisen“ gesammelt: Herd, Deckel, Dampf, Messer, Platte, Mixer, Kartoffel, Teller, Reibeisen, Becher, kühl, Schrank, Sieb, … Diese Begriffe werden beliebig miteinander verknüpft. Aus den Kombinationen ergeben sich Anregungen: Herdmixer: ein Mixer mit Wärmeabgabe, um bestimmte Mixvorgänge bei höherer Temperatur ablaufen zu lassen. Reibdeckel: Topfdeckel mit erweiterten Funktionen, z.B. mit einer Reibstelle für Muskatnüsse. Kühlplatte: Servierplatte zum Kühlstellen von Desserts.

Die verblüffenden Ergebnisse der semantischen Intuition lassen sich darauf zurückführen, dass der Prozess der Produktentwicklung und Namensgebung invertiert wird. In der Regel wird ein Produkt entwickelt, für das dann auf der Basis seiner Eigenschaften ein Namen bzw. eine Bezeichnung gesucht wird. Dieses Vorgehen wird von der semantischen Intuition auf den Kopf gestellt. Von der Bezeichnung ausgehend wird dann auf potentielle Eigenschaften des Produktes geschlossen. Der kreative Prozesses wird durch die Konfrontation der Gruppe mit thematisch passenden – weil aus dem Problemfeld generierten – jedoch unbestimmten Wörtern angestoßen.